Fontwerk.com 2.0 – Alles glänzt so schön neu

nsere Designerinnen und Designer können wir oft nur mühsam davon abhalten, noch eine weitere Sprache, noch ein Gewicht und noch ein Feature in ihre Schriften zu packen. Fonts sind Software und dürfen daher nach und nach erweitert werden. Es ist reizvoll, alle Ideen auf einmal verwirklichen zu wollen, verzögert aber das Release oder führt mitunter ganz zur Aufgabe des Vorhabens.

Zum Äußersten ist es bei unserem Label-eigenen Software-Projekt trotz eines solch fehlenden Korrektivs zwar nicht gekommen, aber aus ein paar Monaten geplanter Arbeit wurden dennoch viele Monate. Ursprünglich wollten wir der gut funktionierenden Website auch lediglich eine Frischekur genehmigen. Nachdem wir aber begonnen hatten, Version 1.1 von fontwerk.com zu konzeptionieren, ergab eine Idee die andere und wir riefen kurzerhand Version 2 aus. Zwei Jahre später weihen wir unser neues „Zuhause“ endlich ein. Es würde den Rahmen sprengen, alle neuen Features aufzuzählen, aber ein paar Gedanken zu diesem enormen Projekt möchten wir dennoch teilen.

Ein Grund für den Relaunch war der Wunsch nach einem schärferen visuellen Profil. Was einfach klingt, ist für Type-Foundry-Websites eine Herausforderung. Kein Wunder, sollen doch die Designs der Schriften im Vordergrund stehen. Das ist insofern ein Dilemma, als dass dieses Bestreben zulasten einer eigenen digitalen Identität gehen kann, die eben mit Design-Produkten konkurriert. Wir versuchten uns am schwierigen Spagat, den Fokus ebenfalls auf die Schriften zu legen und dennoch einen eigenständigen Online-Auftritt zu erschaffen.

Inspiration dazu bot der Name Fontwerk, der im Wortsinne einer Fabrik für einen industriellen Charakter steht. Daraus leiteten wir Begriffe wie Präzision, Metall, Werkbank, Funktionalität, Fertigkeit und Klarheit sowie das Versprechen, was Made in Germany gibt. Diese Überlegungen wiederum führten uns u.a. zum als Funktions- und Highlightfarbe fungierenden und stellenweise prägnanten Industrie-Orange, einem aufgeräumten bis konstruiert wirkenden Design, technisch anmutenden Gittern und Mustern und einem „neutraleren“ UI-Font (Neue DIN mit aktivierten stilistischen Alternativen). Die Schrift wird zudem in lediglich einem Schnitt und einer Größe gesetzt und hält sich dadurch den eigentlichen Protagonisten gegenüber zurück.

Im Vordergrund sollte trotz aller angestrebter Eigenständigkeit nicht die Marke Fontwerk, sondern die Retail-Fonts und ihre Marketing-Kampagnen zur Markteinführung stehen. Die haben für uns mittlerweile einen hohen Stellenwert und dürfen auf der neuen Website noch mehr zur Geltung kommen. Das ist einer der Gründe, Superfamilies bzw. Collections in den Mittelpunkt zu rücken. Eine Nice muss nicht viermal (Poster, Headline, Text, Micro), eine McQueen (‚Normal‘, Grotesk) nicht zweimal vorgestellt werden. Damit wird die wachsende Bibliothek außerdem insgesamt geordneter und aus Sicht der Einzelfamilien gleichberechtigter präsentiert. Neue Filterfunktionen sorgen für weitere Orientierung. Subfamilien-Seiten gibt es weiterhin (z.B. für Nice Poster oder McQueen Grotesk), der Fokus liegt jedoch eine Ebene höher. Für Collection- und Familienseiten stehen vier verschiedene Themes zur Verfügung. Das sorgt für Abwechslung und unterstützt zu den Schriften passende Stimmungen.

Kernstück jeder Schriftpräsentation ist der TypeTester. Den gab es zwar schon vorher, nun ist er aber variabel, aufgeräumter und offeriert mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Eine leicht abgespeckte Version begrüßt Besucherinnen und Besucher mit wechselnden Fonts bereits auf der Startseite, denn die Schriften angewendet zu wissen ist letztlich der ultimative Grund unseres Schaffens.

Die beste Möglichkeit, sie zu „erfahren”, ist, sie lokal zu installieren und in den eigenen Dokumenten und Projekten zu testen. Daher haben wir die Trial-Fonts radikal verbessert und machen sie – losgelöst vom Kaufprozess – noch einfacher zugänglich. Zudem erhält man mit jedem Download das gesamte Sortiment und lernt so Schriftfamilien kennen, die sich bisher nicht bemerkbar gemacht haben. Mehr zu unserem neuen Trial-Fonts erfährt man in einem eigenen Artikel.

Viele Schleifen haben wir beim Kaufprozess gedreht. Im Zusammenspiel zwischen Marketing, UX-Design und Rechtsberatung konnten wir unser Lizenzmodell weiter vereinfachen, noch fairer gestalten und die User-Experience relevant verbessern. Obendrauf kommt ein maximal simpler Education-Rabatt. Auch diesen beiden Themen widmen wir separate Artikel, und zwar in unserem neuen Blog (Text).

In Zeiten zu Grabe getragener Design-Magazine und -Blogs bei gleichzeitiger Geiselnahme des Publikums durch Algorithmen, erscheint es uns angebrachter denn je, in eigene Inhalte zu investieren und sie an selbstverwalteten Orten zu präsentieren. Text soll ein solcher Ort sein. Er gibt uns typografisch mehr Möglichkeiten als der Rest der Seite, so dass Font-Stories, In-Use- und weitere Artikel lustvoller gelesen werden dürfen. Hier wollen wir inhaltlich mehr in die Tiefe und Breite gehen, auch mit externer Unterstützung.

Zu guter Letzt möchten wir ein riesiges Dankeschön an alle Beteiligten aussprechen. Wie in all unseren Projekten haben wir das Team so groß wie nötig und so klein wie möglich zusammengestellt. Am intensivsten waren UX-Designer Julian Thiel, Web-Entwickler Rob Meek und Projektleiter Ivo Gabrowitsch zugange. Aber auch das Mitwirken von Lucy Beckley, Christian Köhler, Jan Kuhlen, Dorothee Lange und Pauline Schischkoff ist nicht hoch genug einzuordnen. Unseren Type-Designerinnen und -Designern gilt der Dank ebenso, denn diese umfangreichen Änderungen derart offen mitzugehen, ist nicht selbstverständlich.

Wir freuen uns riesig, nicht bloß eine neue Version unserer Website vorstellen zu dürfen, sondern damit den nächsten großen Schritt mit dem gesamten Projekt Fontwerk zu gehen.

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