ie Digitalisierung des Zweiten Deutschen Fernsehens begann 2001 mit dem Start der ZDFmediathek im Internet, die via Live-Stream oder Video-on-Demand eine Auswahl an Sendungen anbot. Seit 2013 sendet das ZDF – sofern lizenzrechtlich möglich – alle seine Programme rund um die Uhr als Internet-Livestream. Zwei Jahre zuvor wurde die ZDF-App für verschiedene mobile Betriebssysteme eingeführt. In den darauffolgenden Jahren ergänzten mehrere Dutzend Social-Media-Accounts die digitale Kommunikation des „Zweiten“, sowohl unter dem Namen der Sendeanstalt und ihrer Digital-Kanäle, als auch unter der Regie von Flaggschiff-Sendungen wie „heute“, „WISO“, „heuteshow“, „sportstudio“ oder „ZDF-Fernsehgarten“.
ZDF
Making of: die ZDF-Hauschriftfamilie
Seit dem Sendebeginn vor fast 60 Jahren sendet das ZDF bewegte Bilder und Text auf Bildschirme. Anders als Zeitungen und Zeitschriften, die ihre Inhalte erst Ende der 1990er Jahre ins Internet stellten (und teilweise bis heute lieblos oder gar nicht typografisch gestalten), ist der Bildschirm für das Fernsehen das native Ausgabemedium. Besonders erfreulich sind die technischen Fortschritte der vergangenen zwölf Jahre auf diesem Terrain bezüglich Auflösung, Farbe, Bandbreite und Mobilität. Wir alle haben praktisch rund um die Uhr einen HD-Fernseher in der Hand oder in der Tasche. Bilder und Texte werden dort gestochen scharf wiedergegeben. Dank dieser Qualitätssteigerung wächst auch die typografische Freiheit in der Fernsehgrafik – und das auf allen digitalen Kanälen zugleich.
Mehr Freiheit heißt auch mehr Schrift. Das Berliner Designbüro bBox Type um Anja Meiners und Ralph du Carrois hat 2020 und 2021 die ZDF-Hausschrift komplett neu gedacht und neu entworfen, wobei Fontwerk die Fontproduktion und das -Mastering übernommen hat. Von der Helvetica kommend war das Ziel und die Vorgabe von ZDF Marketing/Corporate Design, eine bessere Leserlichkeit, mehr Flexibilität und eine stärkere Identität zu gewinnen, ohne das Schriftgenre und damit die Sehgewohnheiten des Publikums zu verlassen. Das Ergebnis ist ein extrem umfangreiches Corporate-Type-System: 116 Fonts mit drei Breiten und drei Stilen, jeweils aufrecht und kursiv.
Für beste Leserlichkeit sorgen die drei optischen Größen der Schrift. Die ZDF Micro für sehr kleine Texte läuft weiter, hat eine größere Mittellänge und setzt Serifen und gebogene Abstriche ein, damit sich ähnliche Buchstaben besser unterscheiden. ZDF Type ist für mehrzeilige Lesetexte optimiert, die Buchstaben ähnlich konstruiert wie bei der Micro, aber enger zugerichtet und mit kleinerer Mittellänge. Beide Stile sind über alle Strichstärken dicktengleich gebaut, das heißt: Ein Text in Light und ExtraBlack nimmt den gleichen Raum ein. Die Strichstärke wächst aus dem Inneren der Buchstaben, die Abstände bleiben konstant und der Zeilenumbruch bleibt erhalten.
Ein zeitgemäßer und flexibler Entwicklungsprozess, mit einem kompetenten Team und direkten Ansprechpartnern. Das Ergebnis: maßgeschneidert.
ZDF Design ist die neutrale Headline-Schrift der Familie, mit grafischer Strenge und konsequenter Formgebung. Hier folgen die Strichstärken – über alle Schnitte gesehen – dem klassischen, typografischen Wasserfall, das heißt: Headlines werden mit zunehmender Fette breiter. Die Schnitte der ZDF-Type bilden dabei die Basis der ZDF-Hausschrift. ZDF Micro und ZDF Design werden ausschließlich für die oben beschriebenen Einsatzgebiete eingesetzt.
Die gesamte Familie wurde bei Fontwerk in acht Glyphs-Dateien angeliefert und in enger Abstimmung mit bBox gemastert: Nach einem umfassenden Eingangstest durch die Fontwerk-Ingenieure nahmen Meiners und du Carrois Korrekturen und Anpassungen vor und beseitigten letzte Inkonsistenzen. Um maximale Funktionalität in verschiedensten Betriebssystem-Programm-Kombinationen zu garantieren, wurden anschließend Schriftnamenseinträge, Fontmetriken und andere Fontinfo-Parameter eingestellt.
Damit die digitalen Inhalte des ZDF auf allen Computern gut aussehen, bekam die gesamte Familie ein aufwendiges manuelles TrueType-Hinting, bei dem die Bildschirmdarstellung nicht nur für moderne Betriebssysteme, sondern rückwärtskompatibel bis zu Windows XPs ClearType-Rasterizer optimiert wurde. Im Vergleich zum marktüblichen automatischen Hinting konnten so nicht nur kleinste Details justiert, sondern die Fonts auch optimal aufeinander abgestimmt werden.
Produziert und getestet wurde die ZDF-Schriftfamilie in den Formaten TrueType (.ttf, optimiert für Office-Anwendungen inklusive Stilverlinkung), OpenType (.otf) und für das Internet in .woff2, .woff und .eot.
Ein besonderes Augenmerk galt dem Verhalten der Fonts innerhalb der vom ZDF genutzten Vizrt-Umgebung, ein weit verbreitetes Tool für die Produktion, Verwaltung und Verteilung von grafischen Inhalten in der digitalen Medienbranche mit einigen Besonderheiten. Auf dieser Plattform kann das ZDF nun mit den eigenen Fonts Grafikvorlagen erstellen, archivierte Inhalte suchen und bearbeiten, Playlists für die On-Air-Nutzung erstellen, sowie Online-Inhalte verteilen und auf Social-Media-Seiten pflegen.
Da wir mit Fontwerk parallel an Gestaltung und Technik arbeiten konnten, war es möglich, ein sehr umfangreiches Produkt in kürzester Zeit zu erstellen und trotz vieler im Gestaltungsprozess entstanden notwendigen Anpassungen und zusätzlichen Anforderungen pünktlich auszuliefern.
Bis zum Sommer 2021 wurden schon viele ZDF-Kanäle auf die neue Hausschrift umgestellt. So ist sie bereits On-Air im Einsatz, sowie auf den Websites und in der ZDFmediathek. Des Weiteren wird sie für Instagram-Beiträge und -Grafiken von @zdfheute, @zdfmediathek, @sportstudio, @zdfwiso und @fernsehgarten verwendet. Von besonderer Bedeutung aber sind die Möglichkeiten der neuen ZDF-Schrift in Bereichen, die den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern gar nicht bewusst sind. Es geht um Barrierefreiheit … durch Audiodeskription, Gebärdensprache und Untertitel.
„Das Programm des Senders mithilfe besonders leserlicher Schrift mehr Menschen zugänglich zu machen, begrüße ich von ganzem Herzen.“ sagt Ivo Gabrowitsch, der Fontwerk-Gründer und -Geschäftsführer. Das ZDF begreift das Recht der uneingeschränkten Teilhabe an modernen Medien als eine Grundvoraussetzung für Inklusion und nehme diese Verpflichtung ernst. „Auch wir haben dieses Ziel beim technischen Teil des Projekts stets vor Augen gehabt.“ ergänzt Gabrowitsch.