Story
Die Nice ist ein komplexes Schriftsystem mit einer großen Bandbreite an typografischen Möglichkeiten. Dank vier optischer Größen spannt sie einen weiten, in Bezug auf Design und Leserlichkeit optimierten Bogen von Texten in sehr kleinen Schriftgrößen bis hin zu großen, ausdrucksstarken Botschaften. Im Gegensatz zu vielen historisch orientierten Serifenschriften zeichnet sie sich durch einen frischen Look mit leichtem nostalgischem Flair aus.
Nice hat viele Gesichter: offen, elegant, ausdrucksstark, kompakt, robust – jedoch niemals langweilig. Sie ist so lebendig wie möglich, um Botschaften seriös und glaubhaft vermitteln zu können. Ihr Name spricht für sich, sie ist freundlich in der Anmutung, reizvoll im Ausdruck und angenehm in der Benutzung.
Aus ihren barocken Vorbildern bedient sie sich zurückhaltend nur der wichtigsten Essenzen: deren Ausdrucksstärke, ihr Gegensatz zwischen Strenge und Wärme, die Verspieltheit der Kursiven, die subtile Schrulligkeit. Indem typische dekorative Elemente wie ausufernde Schwünge, verdrehte Tropfen oder eigenwillige Serifen abgemildert und behutsam in ein modernes Gerüst eingearbeitet wurden, setzt ihr Designer Jan Fromm ihre historische Formensprache in einen zeitgemäßen Kontext. Viele Eigenheiten der damaligen Schriften konkurrieren mit heutigen Lesegewohnheiten. Auf zu große Versalien wie bei einer Baskerville oder den überbordenden Formenreichtum einer Fleischmann Kursiv wurde daher konsequent verzichtet.
Die Nice ist somit kein Revival, vielmehr wurden die noch heute sinnvollen Attribute klassischer Barockschriften einer erfrischend modernen Textschrift auf den Leib geschneidert. Ihre Verfügbarkeit im zeitgemäßen Variable-Font-Format (inklusive im Superfamily-Paket) lässt ihre dezenten geschichtlichen Anleihen beinahe ganz vergessen.
Jan Fromm ließ sich bei der mehrjährigen Gestaltung kontinuierlich von drei Zielsetzungen leiten: Klarheit, Lebendigkeit und Leserlichkeit. Die optischen Größen erlauben ein hohes Maß an Kompromisslosigkeit und anwendungsspezifische Optimierungen. So lassen eine großzügige x-Höhe und offene Formen die kleinen optischen Größen Text und Micro schnell und flüssig lesen. Dass die Schrift trotz ihrer Effizienz lebendig bleibt, liegt an ihrem humanistischen Duktus und an vielen Details: Betonte vertikale Serifen (z.B. C, E, T), subtil gebogene horizontale Serifen, kräftige Tropfen, Punkte und Akzente, Elemente mit handgeschriebenem Charakter (Q, &, £), Inktraps (in kleinen optischen Größen) und unterschiedliche Neigungswinkel in den Kursiven.
Im Gegensatz zu historisch orientierten Textschriften, die üblicherweise Mediävalziffern beinhalten, entschied sich Jan Fromm für proportionale Versalziffern, da diese besser in den großen optischen Größen Headline und Poster funktionieren. In deren angedachten großen, textlich meist kurzen Anwendungsfällen würden Mediävalziffern ob ihrer Verspieltheit als eher störend empfunden. Diese Entscheidung wurde nicht zuletzt auch zugunsten der Variabilität untereinander auf die Nice Text und Nice Micro übertragen. Damit sie sich hierfür eignen, wurden die Ziffern etwas schmaler angelegt. So fügen sie sich hervorragend in Fließtexte ein und überzeugen auch in responsiven Umgebungen.
Neben den verschiedenen Ziffernarten, den Familienmitgliedern Poster, Headline, Text und Micro und der Menge an unterschiedlichen Gewichten (ExtraLight bis Black) ist die Nice mit einem reichhaltigen typografischen Repertoire an Kapitälchen, Pfeilen und Symbolen ausgestattet. Ob Editorial Design, Fashion, Branding oder Packaging – die Nice macht immer eine gute Figur.
Der Designer selbst empfiehlt, die Micro für Schriftgrößen von etwa 6 bis 9pt, die Text von etwa 9 bis 16pt, die Headline bis etwa 48pt und die Poster für größere Anwendungsfälle einzusetzen. Letztlich fließen in eine solche Entscheidung jedoch vor allem individuelle Umstände und Vorlieben ein.
Die besondere Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten soll durch die geplante Ergänzung von Breiten wie Condensed und Extended sowie Spracherweiterungen wie Kyrillisch, Griechisch und Vietnamesisch noch vergrößert werden. Denkbar sind auch korrespondierende Stile wie Sans, Mono und vielleicht sogar Slab, Semi Sans oder sogar Script. Schließlich haben auch diese Genres eine „schöne“ Klarheit, Lebendigkeit und Leserlichkeit verdient.