Auch nach drei Jahrzehnten in seiner »neuen« Heimat Berlin scheint sich Alessio Leonardi jenes Florentiner Gen erhalten zu haben, welches einen hierzulande eher selten erlebten Witz versprüht. Ein Espresso mit dem jung-gebliebenen Vollprofi verspricht immer ein anregendes Zusammensein zwischen fachlichen, gesellschaftlichen und persönlichen Themen. Koffeinschock nicht ausgeschlossen.
Dass der Kommunikationsdesigner und Schriftgestalter weiß, wovon er spricht, belegt ein Blick auf seine Vita. Nach Studium an der ISIA in Urbino zog es ihn zu Erik Spiekermann bei MetaDesign Berlin, bevor er eigene Designbüros führte (Leonardi.Wollein, Lion&Bee) und schließlich 2010 zum Professor für Visuelle Kommunikation an die HAWK Hildesheim berufen wurde. Seine zwischenzeitlichen Vertretungsprofessuren für Corporate- und Informationsdesign auf der Burg Giebichenstein und für Typografie an der HBKsaar deuteten bereits auf einen solchen Schritt hin. Immer wieder wuppte er als (Mit)verantwortlicher aber auch große Corporate-Design-Projekte, z.B. für den WDR, den Springer Verlag, Schering, Linotype oder CECIL.
Seine ersten Schriftfamilien realisierte Alessio Leonardi 1989 noch analog, die folgenden ab 1992 für FontShop International und Linotype dann digital. Mit Alexander Branczyk, Heike Nehl, Sybille Schlaich and Thomas Nagel gründete er einen der ersten digitalen Schriftverlage, Face2Face, später mit Fabrizio Schiavi Fontology. Einige seiner Schriften wurden eigens für das legendäre Techno-Magazin Frontpage gestaltet, nicht selten in von elektronischer Musik geschwängerten Nacht-und-Nebel-Aktionen.
Im neuen Jahrtausend startete er sein alleiniges Label BuyMyFonts. Hier entstand auch die Corporate-Schrift für Berlin, die BMF Change, die in überarbeiteter Form nun bei Fontwerk für den Rest der Welt veröffentlicht wird. Weitere Höhepunkte seines Schaffens sind das komplexe Schriftsystem für die Schering AG (heute Bayer), die Bröhan-Schrift für die Bröhan Art Advisors Inc. und die BDFoundation für die Bröhan Design Foundation, aber auch die FF Letterine, FF Matto, FF Handwriter und FF Graffio für FontFont und die BMF Elettriche, die nach eigenen Angaben „größte Schriftfamilie der Welt … bis jetzt“.
Neben dem Sprechen auf (immer ein Highlight!) und der Moderation von Konferenzen (z.B. TYPO Berlin) schreibt Alessio Leonardi auch für Designmagazine und veröffentlicht Bücher: von „From the Cow to the Typewriter: the (true) History of Writing“ und „A Line of Type. 120 years typographic history“ (mit Jan Middendorp für die Mergenthaler Edition) über „Mr. Typo and the lost letters“ (auch mit Jan Middendorp) und „Wie die Leidenschaft unser Leben ruiniert.“ bis hin zur Typo-Graphic Novel „Mr.Typo und der Schatz der Gestaltung“. Damit schließen wir seine Bio vorerst ab, bevor wir sie selbst noch als Buch veröffentlichen müssen …