Glühende Liebe zu Handwerk und Typografie
Umringt von den Vorarlberger Alpen entstehen bei KARAK in einer ehemaligen Spinnerei traditionelle Raku-Keramikfliesen. Raku ist eine Brenntechnik, die im 16. Jahrhundert in Japan entwickelt wurde. Die bei 700°C vorgebrannte Keramik wird in einem hochgeheizten Ofen bei 1000°C zum Glühen gebracht und anschließend in einem Behälter mit Laub, Stroh oder Sägemehl luftdicht eingebettet. Der entstehende Rauch sowie die in den organischen Stoffen enthaltenen Mineralien erzeugen Maserungen auf den Tonscherben und der Glasur, sodass jede Fliese ein unnachahmliches Unikat wird.
Einzeln von Hand in Form gepresst trägt jeder Fliesen-Rohling von KARAK auf der Rückseite das unverkennbare Handstempel-Logo. „Als Zeichen seiner Originalität und unserer Überzeugung, dass dieser eigentlich völlig verrückte Herstellungsprozess für uns der einzig wahre ist.“ betont die Fliesenmanufaktur, deren Konzept 2007 von der Keramikkünstlerin Marta Rauch-Debevec und dem Lehmbauer Martin Rauch entwickelt wurde. 2015 übernahmen Sebastian Rauch und sein Jugendfreund Thomas Rösler das Kunstprojekt und gründeten daraus ein Unternehmen.
Chaos und Ordnung, Funktion und Schönheit: KARAK-Fliesen verbinden Gegensätze zu einem geerdeten Ganzen. Um diese dialektische Firmenphilosophie in eine visuelle Identität zu überführen, bedarf es einer selbstbewussten Schrift. KARAK entschied sich für die Displayfamilie Nikolai, entworfen von Franziska Weitgruber, die in den Südtiroler Alpen als Designerin tätig ist.
Wie bei der Raku-Ornamentfliese war auch die Ursprungsidee von Nikolai, ein historische Type-Design-Tradition neu zu interpretieren. Nachdem sich Weitgruber 2016 im Rahmen ihres TypeMedia-Masterstudiums an der KABK in Den Haag mit einem Revival der Monotype Veronese beschäftigte, und kurze Zeit später mit einer Neuinterpretation der Nebiolo Jenson, führten diese Versuche schließlich zur Entwicklung der eigenständigen Nikolai, eine emanzipierte, deutlich zeitgenössische Serifen-Displayfamilie. Vielleicht waren die rebellisch konstruierten Buchstaben K und k die Visitenkarte, die Nikolai die Tür ins KARAK-Marketing öffneten.
Nikolais Feuertaufe war der Relaunch von KARAKs Website im Mai 2022 (Design und Entwicklung: Huangart, Wien), bei dem auch Franziska Weitgruber beratend tätig war. Die Keramikbrenner schrieben auf Instagram dazu: „Die Typografie, eine Kunstform und ein Handwerk im Grafikdesign, verbindet Sensibilität und Geist. Kombiniert mit Bedeutung, visualisiert sie einen Zweck. Wir haben uns für die Zusammenarbeit mit @franziskaweit entschieden, die die Texte unserer neuen Website wunderschön in Szene gesetzt hat. Ihr ist es auf spektakuläre Weise gelungen, mit ihrer eigenen Kunst zum Leben zu erwecken, was wir in unserer Werkstatt, unserem Handwerk und unserem Designprozess fühlen und tun.“ Für Navigation und Kleingedrucktes kommt Ano zum Einsatz, entworfen von Gareth Hague und von Alias veröffentlicht.
Die Karak-Website wurde inzwischen mit zwei Preisen ausgezeichnet. Beim Creativ Club Austria erntete die betreuende Agentur Huangart eine Auszeichnung in Silber , bei awwwards. wurde der Internetauftritt am 9. April 2022 von einer 19-köpfigen Jury zur Site Of The Day gekürt.